vom schallplattenmann:
Bonnie Prince Billy: "I See A Darkness" (Independent, Domino)
Natürlich als erstes DAS Ereignis: Warum auch immer Will Oldham (Palace) sich nun als Prince (!) anreden läßt (mit dem neuen Schnurrbart sieht er eher etwas aus wie Errol Flynn), er hat jedenfalls sein bisher intensivstes Werk geschaffen. Und das, obwohl es für seine Verhältnisse recht opulent instrumentiert ist und WEIL es erstklassiges Songmaterial enthält. Gerade wenn man sich fragt, ob er in letzter Zeit mit Nick Cave um die Häuser gezogen ist, bringt er Anklänge an Willie Nelson, womit der Musikstil wohl ausreichend weit umschrieben ist. Die Düsternis und negativen Schwingungen sowohl im Artwork als auch in den Titeln wirken fast vorgeschoben. Er klingt frisch, ideenreich und singt eindrucksvoller als je zuvor. Geblieben ist dennoch seine klagende Stimme und das Bedürfnis, sich Jahre des Kummers von der Seele zu schreiben. Diese Bürde wird er auch nach der zehnten Platte nicht los. Man sieht Abgründe und schwarze Löcher im menschlichen Zusammenleben, doch diesmal hat er Auswege gefunden, der weise Prinz. Früher wäre er immer geblieben, jetzt sagt die letzte Zeile der Platte: "...oh it doesn't rain anymore, I'll go out where it's fun to be and I know you love me".
***************************
Will Oldham
Stößt man bei der Informationssuche über einen Musiker auf Vergleiche mit toten Philosophen, Begriffe wie "failed transcendence" oder seitenlange Interpretationen einzelner Lieder, ist Vorsicht geboten: Die Gefahr ist groß, dass es sich um eine eingebildete Nervensäge handelt.
Allerdings ist es kein leichtes Unterfangen, eine Person wie Will Oldham zu beschreiben, ohne in die Falle komplizierter Wortspiele zu geraten. Was nicht nur mit seiner Musik zusammen hängt, sondern auch mit der Scheue und dem Sarkasmus, die seine Interviews auszeichnen. 1971 in Louisville, Kentucky geboren, beginnt sein Leben in der Öffentlichkeit als junger Schauspieler in Hollywood. Nach einigen Rollen in Kino- und Fernsehproduktionen wird er als Nachwuchstalent gehandelt, doch 1991 verlässt er plötzlich die Filmindustrie und wendet sich der Musik zu. Nach Auftritten in Bars, kleineren Clubs und Plattenläden erscheint mit dem Namen Palace Records zwei Jahre später sein erstes Album; mit ständig wechselnden Namen bringt er seitdem fast jährlich ein neues Werk heraus (im Handel vorwiegend unter "Palace" eingeordnet) und festigt jedes Mal seinen Ruhm als Eigenbrötler und komischer Kauz, dessen Lieder gleichzeitig verwirren, trösten, einlullen.
Meist von folkigen Klängen getragen, scheinen sie in die tiefsten Geheimnisse des Lebens einzudringen; hört man jedoch genauer hin, verflüchtigt sich wieder jede Gewissheit und es bleibt nur ein verwirrendes, wenn auch angenehm melancholisches Gefühl zurück. Normalerweise steckt man solche Musik als pubertäres Geklage in eine Schublade und vergisst sie rasch, Oldhams Platten üben jedoch eine Faszination aus, der man kaum entgehen kann (oder will). Besingt er scheinbar einen Abend, an dem nichts passiert, kommt auf einmal "Make a noise, crack a glass/I'll hold his arms, you fuck him/Fuck him with something/The fuck, he deserves it" ("A Sucker's Evening", 1996), alles mit der gleichen ruhigen, brüchig hohen Stimme vorgetragen. Oder treten in der Beschreibung einer Postkartenlandschaft Floridas ("West Palm Beach," 1994) immer mehr Risse auf, so dass sie zunehmend bedrohlich wirkt und von der Idylle am Ende nicht mehr viel übrig bleibt.
Das Lebensgefühl nach einer Trennung beschreibt er mit dem Titel "You Have Cum In Your Hair And Your Dick Is Hanging Out" (aus "Arise Therefore"), andererseits singt er auch Lieder, die eine starke religiöse Komponente beinhalten. So "I See A Darkness" (unter dem Pseudonym Bonnie 'Prince' Billy 1998 auf dem gleichnamigen Album erschienen), das ihm ein Duett mit Johnny Cash einbrachte und einen der Höhepunkte auf dessen "American III: Solitary Man" darstellt.
Trotz der Melancholie und - stellenweise - Trostlosigkeit, die sich durch seine Lieder zieht, kann man Will Oldham kaum als weinerliche Nervensäge bezeichnen. "I don’t think of myself as a downer. I like myself; I enjoy myself. There is no pity in my music, for myself or any other fuckhead. Most of the music I make makes me feel happy. But even unhappiness makes me feel happy," erzählt er gewohnt kryptisch in einem Interview. Das Leben ist lebenswert, obwohl es letztendlich weder Erklärung noch Sinn dafür gibt, ist die Botschaft, die er vermittelt. Eigentlich eine recht tröstende Vorstellung.
dem hab ich nichts hinzuzufügen
daten per pnhttp://www.laut.de/imperia/md/images/pressefoto/o/oldhamwill/2_280x2http://www.laut.de/imperia/md/images/pressefoto/o/oldhamwill/2_280x2