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Mal was NEU!es altes

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22 Jahre 2 Monate her #5104 von jazzaphunkstar
Mal was NEU!es altes wurde erstellt von jazzaphunkstar
Hi @ all Krautrocker

Aus den Socken gehauen, hat mich diese Band im letzten Sommer, bin damals, wie so oft, durch Berlins Plattenläden geschlendert und
beim durchwühlen der Neuheiten ist mein Auge, nur auf Grund der minimalistischen Plattencover, an diesen Scheiben hängen geblieben.
ein Glück :p für mich aber lest selbst:



Zurück im Krautrock


Während die Tonträger ähnlicher, deutscher Elektronik-Pioniere wie Kraftwerk oder Can weiterhin relativ problemlos zu bekommen sind, verschwanden die drei Schallplatten von Neu! im Laufe der Achtziger und Neunziger fast völlig von der Oberfläche. In Deutschland, aber auch und insbesondere im Ausland (z. B. Japan, USA, Großbritannien) wurden die wenigen Schallplatten zu gesuchten, fast gejagten Sammlerstücken. Als dann auch noch im (Sieges-)Zug der elektronischen Musik immer mehr Bands und Einzelmusiker das Düsseldorfer Duo zu seinen Einflüssen zählten (Stereolab, Young Gods, Placebo, Kreidler, Radiohead, Sonic Youth etc.), stand dem Kult-Status nichts mehr im Wege. Nun waren Neu! bekannt und unerreichbar gleichzeitig geworden, noch nicht einmal in Form reproduzierter Tonträger. Dieses Faszinosum musste auch Herbert Grönemeyer aufgefallen sein, der zum ersten Mal bei einer Fotosession in London die Musik von Neu! hörte. Dort bemerkte Grönemeyer offensichtlich auch das in England gerade stattfindendende Revival des deutschen Krautrocks.


Damals Neu!


Das Projekt Neu! gründete sich Ende 1971 als Abzweiger von Kraftwerk, auf deren ersten beiden, noch sehr krautrockigen Alben ("Kraftwerk" und "Kraftwerk 2", die mit dem roten bzw. grünen Baustellenhütchen auf den Plattenhüllen) Klaus Dinger und Michael Rother mitspielten. Da man mittlerweile unterschiedliche musikalische Perspektiven hatte, trennten sich Dinger (Schlagzeug, Gitarren, Elektronik, Gesang etc.) und Rother (Bassgitarren, Elektronik etc.) von Kraftwerk ab und gingen mit dem späteren Star-Produzenten Conny Plank (u. a. Devo, Eurythmics, Ultravox, Killing Joke und eben Kraftwerk) ins Studio. In nur vier Tagen oder besser Nächten, wie die beiden in den Linernotes von "Neu!" selbst schreiben, spielten Dinger und Rother sechs Stücke (heute Tracks genannt) ein. Drei Tage lang wurde das Album abgemischt, und fertig war ein Meisterwerk minimalistisch-experimenteller Rockmusik der Frühsiebziger. Der erste, gut zehnminütige Track "Hallogallo" erlangte in seinem stoisch-reduziertem Beat schnell Kultstatus und repräsentierte den Sound von Neu! fast schon archetypisch. Wer "Hallogallo" kennt und mag, der weiß Bescheid über die Rhythmusvorstellungen von Dinger und Rother. Auch aus diesem Song heraus entwickelte sich die Begrifflichkeit des Dinger-Beats, von dem sich die Zeitgenossen David Bowie und Brian Eno fasziniert und, vor allem auf Bowies düsterem "Low" von 1977, beeinflusst zeigten.

Kommerziell waren Neu! dabei in all ihrer Abseitigkeit durchaus erfolgreich. 1973 nahmen Dinger und Rother dann den Zweitling "Neu! 2" auf, der allerdings über die finanziellen Grenzen der beiden Musiker hinaus zu wachsen begann. Aus dieser Geldnot platzierten Neu! die Songs "Super" und "Neuschnee" in jeweils zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf dem Album und kreierten eine Art analoges Remixing, welches für Hörerohren zu jener Zeit sehr ungewöhnlich klingen sollte. Nach einer vorübergehenden Trennung begaben sich Dinger und Rother Ende 1974 noch ein letztes Mal für ihr drittes Album "Neu! 75" gemeinsam ins Studio. Dieser Tonträger wich etwas von den gleichzeitig minimalen und ausufernden Vorgängern ab, ersetzte vor allem in den ersten Stücken angeschrägtes Experiment durch melancholische Meditation, wurde während der zweiten Hälfte des Albums auf Stücken wie "Hero" oder "After Eight" dann hingegen englischsprachig besungen und abgespacet präpunk-rockig, blieb bei all dem aber natürlich auch repetitiv Neu!. Danach lösten sich Neu! endgültig (und nicht vorläufig endgültig!) auf und gingen ihrer Wege Richtung Solo-Karriere (Michel Rother) mit Kinofilmmusikachtungserfolg ("Flammende Herzen") bzw. neuer Band La Düsseldorf (Klaus Dinger). Im Umfeld und in den Nachwehen dieser Scheidung wurde immer wieder spekuliert, dass der offensichtlich exzentrisch-verquere Charakter eines Klaus Dingers nicht mit den anscheinend unkomplizierteren Einstellungen Michael Rothers einher ging. Aber auch das ist bereits Teil des Mythos Neu!.


Der Zeitaspekt


Und so verschwand der Name Neu! nahezu unbemerkt aus der deutschen Popmusiklandschaft, blieb höchstens für einige Krautrockexperten ein Begriff. Bis eben die ersten Reminiszenzen innerhalb der internationalen Gitarren-Indie- und später vor allem Elektronik-Szene auftauchten. Der Name stand auf einmal wieder auf T-Shirts und geisterte durch die Popmusikzitationsmaschine. Es schien insbesondere für Engländer, Amerikaner oder Japaner schick zu werden, neben den allgegenwärtigen, deutschen Referenz-Übervätern Kraftwerk und Can, nun vermehrt diesen Namen Neu! ins Spiel zu bringen, von dem es nicht einmal mehr Tonträger zu erwerben gab. Der Mythos entwickelte sich und bekam von popmusikalischer Erwähnung zu kulturjournalistischer Erwähnung immer lebendigere Züge. Immer wieder wurden Dinger und Rother zu Wiederveröffentlichungen oder gar Comebacks gedrängt, doch stets verstärkten sie ihren Mythos durch Verweigerungen. Schließlich gelang es Herbert Grönemeyer, der sich schon im Rahmen der zwölfteiligen Fernsehdokumentation "Pop 2000" als offen für seitenströmige, aber einflussreiche Musikstile und -projekte zeigte, die beiden Musiker zu den Wiederveröffentlichungen zu überreden (man muss ja nicht gleich an einen Tisch). Dabei hat ihm sicherlich der eigene Status als Künstler geholfen, vor allem vom sperrigen Klaus Dinger als Vermittler anerkannt zu werden. Und Grönemeyer sorgt somit über seine Plattenfirma Grönland für ein Bereitstellen einer Band aus einer der neben NDW und Techno wohl wichtigsten Phase deutscher Popmusik.

Das Ganze könnte nun den Mythos um Neu! relativieren - tut es aber nicht. Denn weder haben sich Dinger und Rother in Form von einem neuen Neu! und hochnotpeinlich wie andere Versuche mit aller Brutalität wiedergegründet. Dadurch entziehen sie sich der Ewiggestrigkeit und betonen nur um so mehr den Zeitgeist und die Innovativität ihres Sounds von vor dreißig Jahren. Noch verschwinden die Mythen um Neu! durch das Wieder-Publik-Werden gänzlich, denn auch die Interviewtage zum Beispiel wurden verschoben, die ehemaligen Neu! bleiben eine oszillierende, schwer einschätzbare Größe. Nicht vergessen werden darf bei all den Mythen aber das musikalische Material an sich. Neu! haben drei hochinteressante Alben produziert, die nun wieder leicht zugänglich sind und in die Regale junger Leute gelangen sollten. Um die Faszination von Neu! auf den Punkt zu bringen, sei exemplarisch der Sänger der englischen Band Blur, Damon Albarn, hier zitiert: "When I listen to Neu I think of Germany where the autobahn a thousand miles of golden white sands and the sound systems hang in the banana trees, instead of speedtraps and bratwurst."




Ich habe erst einmal die NEU!75 auf Myplay geuppt, allerdings von Vinyl, die anderen Beiden könnte ich in den kommenden Tagen, bei Interesse, zur Verfügung stellen.



1.Isi
2.Seeland
3.Leb' wohl
4.Hero
5.E-Musik
6.After eight




Falls jemand die 3 NEU! Alben auf CD hat umso besser!

cu jps

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22 Jahre 2 Monate her - 22 Jahre 2 Monate her #5106 von raskolnikov
raskolnikov antwortete auf Mal was NEU!es altes
hallo,

kann dazu bieten:

Neu 2 (London: EMI 2001)
edit
: Neu 75 kann ich auch liefern
beide von cd

mfg
raskolnikov aka dirk ;)

Noise annoys, music can be amusing and silence is a rhythm too
alle menschen sind ausländer - fast überall
Letzte Änderung: 22 Jahre 2 Monate her von raskolnikov.

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