Aus dem Soundchannel
Nitin Sawhney
"Prophesy"
V2 Music
Als die Asian Dub Foundation und andere Briten indischer Abstammung damit begannen, ihr Selbstbewusstsein auch musikalisch auszudrücken, war Nitin Sawhney schon im Geschäft.
Er machte Filmmusik, Jazz und anderes. Hauptsache kreativ. Weniger aggressiv, dafür philosophischer und tiefer. Sawhney ist kein euphorischer Jungstar mehr, sondern ein exzellenter Musiker mit bedächtiger Message. So ist es auch keine Überraschung, dass Sawhney mit seiner neuen CD "Prophesy" ein echtes weltmusikalisches Konzeptalbum abgeliefert hat.
Es geht um die Auswirkungen des technologischen Fortschritts auf den Menschen. Große Worte - doch deswegen muss niemand fürchten, Sawhneys Musik könne man "einfach so" nicht hören. Ganz im Gegenteil. Bei aller tieferen Bedeutung ist das Album durchweg entspannt. "Sunset" beispielweise hat leichte Soul-Anklänge mit einem tanzbaren Trip-Hop-Beat und atmosphärischen Streicherpassagen in einer schönen Melodie. Darüber liegt eine zart schwebende Frauenstimme. Nur ganz leicht flirren weltmusikalische Einflüsse in die Songs.
Ist das eine irische Flöte? In welcher Sprache singt der eingesampelte Mensch dort im Hintergrund? Diese Fragen werden unerheblich, weil Sawhney die Weltmusik anders definiert als viele Kollegen der Branche. Echte Weltmusik bedeutet, einem Song alle Wege offen zu halten, egal ob sie nach Indien oder nach Australien führen. Deutlich wird dies in einem Song wie "Breathing Light": Ein Breakbeat, eine Flöte, dazwischen die Stimme von Nelson Mandela - einfach schön.
Das außerordentlich gelungene Album lebt von den vielen Gastmusikern, die ihren Beitrag zu "Prophesy" geleistet haben: Trilok Gurtu, Cheb Mami, Tina Grace - die Liste ist endlos. Die feingeschliffenen Produktion von Sawhney selbst mischt das Ganze zu einem grandiosen Werk zusammen. "Prophesy" ist eine großes, ein wichtiges Album
Aus Laut.de
Sting bekommt Konkurrenz! Mit Tiefgang, wie ihn heutzutage nur noch wenige Popmusiker an den Tag legen, überzeugt Nitin Sawhney als Persönlichkeit, als Künstler, als Reisender-auf-der-Suche und als Mensch. Auf seinem inzwischen fünften Album "Prophesy" lässt er uns an seinen inspirierenden Begegnungen mit Musikern, Politikern, Stammesoberhäuptern, Lehrern und Schamanen teilhaben. "Ich wollte mich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen, und nicht in Süd-London sitzen und darüber schreiben, wie ich die Welt empfinde. Ich habe im Studio mit dem Grundgerüst des Albums begonnen, und bin dann um die Welt gereist, um seine Seele zu finden".
Mit einem hohen ästhetischen Bewusstsein ausgestattet, fällt es Nitin leicht, die kulturellen und musikalischen Eigenheiten der Länder und Kontinente miteinander zu verschmelzen. Dass es kein 'künstliches' World-Beat-Fusion-Album geworden ist, verdanken wir trotz seiner überwältigenden Kenntnis in Sachen Weltmusik, dem "Gefühl, das verschiedene Musikrichtungen miteinander verbindet." In Schubladen: Trip Hop, Drum'n'Bass, Rap, klassische indische Musik und Ausflüge zu Flamenco und Samba.
Sein Anspruch, soziale und spirituelle Themen in seinen Texten anzusprechen, widerspiegelt sich wortlos in seiner Musik. "In dem Album geht es darum, sich für verschiedene Sichtweisen der Welt zu öffnen". Nitins Worte für seine geistige und musikalische Vision einer besseren Welt. "Ich will eine neue Vorstellung von Balance vermitteln, ich hoffe, dass danach die Menschen die Zukunft anders sehen". Die bezaubernde, melodiöse Leichtigkeit, mit der 'Prophesy' aufwartet, macht es uns leicht, ihm in seine Gedankenwelt zu folgen. "Die Einstellung zur Zukunft, vor allem die der jungen Generation in den gönnerhaft 'Entwicklungsländer' genannten Teilen der Welt, waren für das Projekt besonders wichtig. 'Entwicklung' bedeutet nicht nur den materiellen Fortschritt, sondern auch das spirituelle und persönliche Vorankommen. Die Indianer und Aborigines zum Beispiel haben ein besonderes Gefühl für das Land. Sie wissen, dass einige Dinge aus dem Gleichgewicht geraten sind, und möchten sie wieder in's Lot bringen. Das Erstaunlich daran ist, dass sie trotz ihrer Isolation keine Bitterkeit verspüren."
Das Album ist - man ahnt es schon - nur etwas für ZuhörerInnen, die einem hohen künstlerischen Anspruch zugeneigt sind. Ein Anspruch, der intensives Zuhören voraussetzt. Der die hörende Auseinandersetzung mit Nitins musikalischem Ausdruck als Selbstverständlichkeit einfordert. So wie Nitin es als selbstverständlich erachtet, sich im Entstehungsprozess des Albums mit der Welt und den ihr innewohnenden Anschauungen auseinander zu setzen: "Ich habe im Studio mit dem Grundgerüst des Albums begonnen, und bin dann um die Welt gereist, um seine Seele zu finden."
Einen hab ich noch
mein leib und magensender Funkhaus europa schreibt
Nitin Sawhney
Herkunftsland: Großbritannien
Als Sohn indischer Eltern kommt Sawhney 1964 in England zur Welt. Indische Musik hört er zuhause, draußen alles andere. Draußen, das ist aber auch das rassistische Klima in Rochester, Kent, wo die National Front eine starke Stellung behauptet. Musik ist da ein guter Rückzugsgegenstand, Nitin lernt Piano und Flamenco-Gitarre. Bevor er nach London geht, um sich endgültig der Musik zu widmen, hat er ein Zwischenspiel in Liverpool als Jura-Student. Seine Identitätsprobleme – Ausländer ist er sowohl in England wie in Indien – gießt er in seine Texte, die Themen sind Immigranten-typisch. Aber auch seine Musik reflektiert ein Dasein im kulturellen Niemandsland. Denn da findet sich alles, von relaxten Ambient-Sounds über Club-Grooves bis zu Worldmusic, weltweites Instrumentarium inbegriffen, Computer inklusive. Nitin kreiert seine eigene musikalische Identität, er klingt wie Sawhney, nur wie Sawhney, und nur er klingt so. Sein erstes Album hat er 1993 fertig. Doch Musik ist nicht seine einzige Leidenschaft. Sawhney schreibt Hör- und Fernsehspiele, schreibt Zeitungsartikel, schreibt Musik für Film, Theater, Funk und Fernsehen, darunter auch kommerzielle Produktionen, und steht selbst vor der Kamera und auf der Bühne. Natürlich ist da auch noch der Produzent und Remixer Sawhney, bei dem Stars wie Sinead O`Connor, Khaled oder Paul McCartney Schlange stehen. Er hat ein Vielfaches mehr an Anfragen, als er überhaupt schaffen kann. Seine Platten-Karriere krönt er 1999 mit "Beyond Skin", ein atemberaubendes Album, zu Recht von der internationalen Presse in den Himmel gelobt. Schon das Coverphoto ist die Anschaffung wert.
Discographie:
Spirit Dance (1993)
Migration (1995)
Displacing The Priest (1996)
Beyond Skin (1999)
Internet:
www.nitinsawhney.com