Vor ein paar Tagen erschien eine Rezension von einer Band in meiner liebsten Tageszeitung, die sehr vielversprechend klang. Kleiner Hinweis: die Frankfurter Rundschau bietet auch einen Suchservice für ihre CD-Rezensionen an.
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Und dazu ein Glas Wein
Die Mozart Band benutzt Bass und Schlagzeug, aber nicht die Kleine Nachtmusik
Von Hans-Jürgen Linke
Hier gibt es keine Schnittstellen, und das ist ungewöhnlich, wo doch heutzutage die ganze Welt voller Schnittstellen steckt und zwischen Mozart und der zeitgenössischen Popmusik eine Schnittstelle geradezu zwingend wäre. Trotzdem: nichts zu hören, kein Bruch, kein irgendwie kaschierter Übergang vom einen Idiom ins andere. Man hört Musik, deren Noten weitgehend von Mozart stammen. Man hört Musik, bei der Klangbild und technische Infrastruktur von jeder landläufigen Klassik-Interpretation sehr weit entfernt sind. Man hört beides zugleich und hat nicht den Eindruck, zwei verschiedenen Musikgattungen gleichzeitig zu lauschen. Wie macht sie das, diese Mozart Band?
Ohnehin ist ja die Differenz zwischen Mozart und der zeitgenössischen Popmusik in mancher Hinsicht - musikalisch wie soziologisch - geringer als das vielen Freunden der Wiener Klassik lieb ist. Popmusik-Anhängern ist das eher egal, sie legen weniger Wert auf Abgrenzungen gegen die sogenannten E-Musik als auf Abgrenzung innerhalb ihrer eigenen Zeichensysteme. Alle gemeinsam verachten zu Recht altbackene Crossover-Versuche, bei denen Eine kleine Nachtmusik mit Bass und Schlagzeug gespielt wird.
Und nun die Mozart Band: ein merkwürdig besetztes Kleinorchester, maximal im Tentett-Format, entstanden in Wien. Wo auch sonst? Vielleicht ist man ja dort dem Rokoko und seinem größten Komponisten wirklich näher als in deutschen Konzertsälen?
Initiator des Projekts ist Wolfgang Staribacher, ehemaliger enger Mitarbeiter des Hubert von Goisern. Er lässt seit je mit seinem Akkordeon und seiner musikantischen Fantasie einfach nichts und niemanden in Ruhe. Auch Mozart nicht. Gerade weil er dessen Musik sehr ernst nimmt, macht er daraus seine eigene. Die kleine Nachtmusik und andere große Hits werden nicht gespielt, Bass und Schlagzeug hört man, aber nicht als verfremdende Zutat, sondern notwendige Komponente der Arrangements.
Das Repertoire der Mozart Band beschäftigt sich ausschließlich mit der Musik des Salzburger Teenagers Wolfgang Amadeus: Passagen aus frühen Symphonien, Arien aus frühen Opern. Die Mozart Band achtet auf gesanglich angemessene Interpretation und gruppiert drumherum viel originales Notenmaterial in eigenwilligen Arrangements, mit reichlich Platz für Gitarrensoli, für ein jazzig improvisierendes Fagott oder eine synthetische Hammond-Orgel. Streicherparts werden nicht nur von Geige und Bratsche, sondern oft auch von der E-Gitarre mitgespielt, Akkordeon und Fagott teilen sich die Bläserstimmen, E-Bass und perkussive Begleitung beschränken sich nicht auf die brave Markierung der Taktschwerpunkte, sondern genießen und nutzen klangliche Freiheiten.
Komisch eigentlich, dass das nicht nach gedunsenem, überambitioniert zwanghaftem Popularkunstwillen klingt. Für Hörer, denen die klassische Herkunft des Materials nichts bedeutet, klingt die Mozart Band nach einer munteren und manchmal merkwürdig virtuosen alpenländischen Rock- und Straßenmusikantentruppe, die älteres italienisches Liedgut im Repertoire hat und manchmal ganz eigenwillig irgendwo hin abfährt. Fagott, Streicher, Akkordeon schaffen ein warmes, organisches Klangbild, und die Rock-Elemente zerstören das nicht, sondern setzten Gegenakzente und geben einen vertrauten Rahmen: Bass, Schlagzeug, E-Gitarre - was soll da schief gehen?
Das elektronische Equipment ist umfangreich und überaus ausgefeilt - so ausgefeilt, dass man es meistens kaum wahrnimmt. Der Tenor Christian Wolff hat eine virtuos geführte, reibeinsenhaft timbrierten Stimme, Sopran (Barbara Karolyi) und Mezzosopran (Annette Koch) bieten ausgezeichnetes Opernbühnenhandwerk mit dezentem Pop-Appeal.
Die Mozart Band entdeckt in Mozart den Tanzmusikanten, den Straßen- und Popmusiker. Sie inszeniert seine Arien nicht als in sich ruhende Kunstwerke, sondern als Lieder, die sich an ein Publikum richten, das manchmal nicht von allein konzentriert zuhört und das ruhig nebenher auch mal ein paar Worte wechseln und ein Schlückchen trinken darf. Mozarts Musik swingt. Sie verträgt das. Sie wird nicht besser dadurch, aber auch nicht schlechter und ganz bestimmt völlig anders als man sie sonst kennt.
Bei den Wiener Festwochen hatte das Projekt Premiere. Weitere Termine: 13. bis 16. August Philharmonie Köln, 28. August Weimar , 8. Oktober Alte Oper Frankfurt, 9. Oktober Philharmonie Berlin, 11. Oktober Rosengarten Mannheim, 22. Oktober Bregenzer Festspiele, 28. Oktober Ronacher Wien. Die CD "Soul" ist bei Virgin erschienen.
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