Unseren Urlaub hatte Hewlett-Packard finanziert. Im firmeneigenen Audi waren wir nach Sizilien ausgebüxt - den Kofferraum voll mit Benzinkanistern, die wir auf Kosten des Computerherstellers vorher aufgefüllt hatten. Eigentlich war es nicht mal ein richtiger Urlaub, eigentlich waren wir auf der Flucht. Denn zu Hause hatte sich im Spätsommer Zoff zusammengebraut.
Wir - das waren drei langjährige Freunde, eigentlich grundverschiedene Typen, mit den unterschiedlichsten beruflichen Erfahrungen. Mac hatte einen Lehrauftrag für alte Geschichte an der Uni, Wolf war Vertriebsingenieur bei HP und ich hatte gerade gekündigt, um bei einer Wochenzeitung in einer anderen Stadt anzuheuern. Zusammengebracht hatten uns vor Jahren unsere damaligen Freundinnen, die alle gemeinsam in einer krisensicheren Frauen-WG lebten.
Begonnen hatte der Stress mit Wolf. Der wollte partout keine Kids und hatte dagegen sich heimlich einem ärztlichen Eingriff unterzogen. Als die Sache raus kam, heulte sich seine Geliebte bei mir aus. Dabei kam es zu einigen Intimitäten und Fruchtbarkeitsriten. Zur selben Zeit hatte Mac seine sexuellen Vorlieben probeweise mal bei einer Lederdomina ausgelebt und das zu später Stunde im Suff meiner Freundin gebeichtet. Die war schockiert, tratschte die Geschichte im Damen-WG-Kränzchen weiter, was weitere Enthüllungen nach sich zog. Die Frauen solidarisierten sich miteinander, sahen in der Auseinandersetzung mit uns die Chance, sich vom Joch der männlichen Unterdrückung generell zu befreien und stellten uns vor das Kriegsgericht. Ein Termin zur gemeinsamen Aussprache wurde bestimmt.
In Zeiten der Not hilft nur die Flucht. Wir Männer stellten unsere kleineren Konflikte untereinander hinten an, packten unsere Sachen und flohen in den Süden Italiens. Auf Sizilien wollten wir unsere vielfältigen psychischen Verletzungen auskurieren und uns eine Verteidigungsstrategie für die Rückkehr zurechtlegen. Daraus wurde nichts: In Syrakus trafen wir auf eine Gruppe deutscher Studentinnen, die auf dem Weg zu einem Konzert der Talking Heads waren.
Keiner von uns kannte deren Musik. Aber die Frauen waren äußerst sympatisch, da konnte die Band gar nicht so schlecht sein. Und da wir nichts besseres zu tun hatten, schlossen wir uns den Mädels an. Das war in zweierlei Hinsicht kein Fehler - das Open-Air-Konzert war ausgezeichnet. Den anderen Aspekt will ich mal unter den Tisch fallen lassen, denn schließlich handelt es sich hier um ein Musikboard.
Tatsächlich hat mich dieses Konzert dazu gebracht, mich mit der damaligen Rockszene wieder näher zu beschäftigen. Musikalische und künstlerische Ähnlichkeiten zur Musik von Velvet Underground waren nicht zu übersehen. Und wie der Zufall so will, überlegte sich wenige Zeit später ein anderer Freund, deren Film "Stop Making Sense" in die deutschen Kinos zu bringen. Ich riet ihm damals zu. Der Film wurde ein überragender Publikumserfolg in Deutschland.
Warum ich alles hier erzähle: Noch immer lungern in meinem Plattenstapel alle Alben der Talking Heads. Aber im Netz habe ich bisher noch wenig entdeckt. Und da sich meine schwäbische Seele dagegen sträubt, all diese Platten jetzt auch als CDs neu zu erwerben, wollte ich mal hier nachfragen, ob mir jemand aushelfen könnte.
OskarMaria
Achso: Wie die Geschichte ausging wollt ihr wissen? Nein - zu einem Strafgericht ist es nicht mehr gekommen. Bei unserer Rückkehr lag bereits ein Brief meines neuen Arbeitgebers im Briefkasten. Ich sollte sofort mit der Arbeit beginnen und ich bin eiligst Richtung Frankfurt gezogen.