eine "lanze brechen" - GÖTTLICH: Thomas Dybdahl

meine lieblingskritiken:

Thomas Dybdahl
... That Great October Sound

Diese Stimme! Diese Songs! Diese Arrangements! Den in Norwegen bereits zum Star gewordenen Thomas Dybdahl umgibt eine Aura, wie sie seit Menschengedenken nur äußerst wenigen Musikschaffenden zu eigen ist. Man mag an Scott Walker denken, an Midnight Choir, an Tim Buckley vielleicht. Aber das ist so eigen, so einzig, so in seinem schillernden Mikrokosmos verhaftet, dass es eigentlich nur... die Welt retten kann. Ich sah erwachsene Männer weinen und mehr oder weniger erwachsene Frauen glasigen, entrückten Blickes... lächeln. Tatsache.

Das ist der Beginn des Textes, den wir den Promotion-Exemplaren des Albums beigelegt haben. Er mag etwas übertrieben scheinen, geweint habe ich auch nicht, aber ich hatte nach 30 Sekunden eine Gänsehaut, die mich über die 50+ Minuten des Albums nicht mehr losgelassen hat. Was der 26-jährige Musiker hier mit einer Handvoll Freunde geschaffen hat, ist ein Songwriter-Juwel, das sich aber schon alleine wegen der ausgefeilten, aber nie überfrachteten Arrangements von den üblichen Folkies und Klampfenheinis meilenweit absetzt. Federleicht klingt das mittels Akustikbass, Lapsteel, Violine, Orgel und Gitarren geschaffene Klangbild, wie eine blütenweisse Wolke am strahlenden Sommerhimmel. Das Songwerk hingegen ist alles andere als sonnig. Es funktioniert nicht nach dem Strophe-Refrain-Strophe-Schema, sondern nimmt sich immer die Freiheit auszubrechen, um irgendwann wieder beim Thema zu landen.

Seine Geschichten pendeln zwischen traumhaft träumerischen Szenarien und nachvollziehbaren Wesenszuständen. Immer mit Bodenhaftung, ausgehend von realen Zuständen - wohin indes ihn seine Inspiration, seine Phantasie und auch seine Sprachgewalt treiben, ist alles andere als naheliegend. Faszinierend.

Als ich "…That Great October Sound" das erste Mal hörte, musste ich sofort an "Blue Afternoon" denken, meine Lieblingsplatte von Tim Buckley. Thomas Dybdahl steht heute so einzig da, wie einst der L.A.-Troubadour. Und seine großartige Platte transportiert das gleiche Feeling… "An extraordinary powerful album. It's hard not to fall in love with Thomas Dybdahl" schrieb ein norwegisches Magazin. In der Tat. (rh)

That Great October Sound
(2002, Checkpoint/EMI CCAP 018)

Um »THAT GREAT OCTOBER SOUND« so richtig zu genießen, fährt man nach Balestrand am Sognefjord. 800 Einwohner, Fischindustrie, kaum Touristen. In der Grillbude bei der Tankstelle arbeitet Berit, alle halbe Stunde raucht sie eine Zigarette. Aus dem Rekorder rieseln verschrammelte John-Denver-Songs, später legt sie Dybdahl ein – Lieder voller Liebesschmerz und getränkt mit Melancholie.

Mit Waschbenzin entfernt sie das Haltbarkeitsdatum auf den Packungen der Hähnchenschnitzel, die sie in die Mikrowelle schieben wird. Dazu geigen Streicher gegen den Strich, immer wieder rettet Dybdahls hell-schüchterne Stimme die Welt. Früher lebte Berit mit Jörge zusammen. Jörge fährt jetzt den Schulbus, dabei wollte er nie Kinder, und Berit wollte Balestrand schon lange verlassen, aber irgendwie kommt es nicht dazu. Man lauscht Dybdahl am besten morgens gegen vier, wenn der hellgräuliche Himmel nach Regen ruft und man wachliegt, weil man dann doch von Berits Hähnchenschnitzeln gegessen hat.

ich kann nur empfehlen, sich darauf einzulassen.... es wird keine (!) enttäuschung sein. ein stiimmensternchen am himmel der tiefe und der melancholie. meine empfehlung für die nächsten monate. es wirkt und wirkt und wirkt.... WHOW !!

ALBEN:

That Great October Sound



One Day You´ll Dance For Me New York City



Stray Dogs




mein anspieltipp: One Day You´ll Dance For Me NYC ... heute abend live in Berlin. ich freu mich drauf.

bin erst jetzt dazu gekommen da mal reinzuhören: wirklich extrem gute Musik. Unglaublich auf welch hohem Niveau die Skandinavier im Moment sind - thx für den guten Tipp! ciao miro