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DREI MOTIVE DER USA EINEN KRIEG ZU FÜHREN

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21 Jahre 3 Wochen her #14916 von juke_box
DREI MOTIVE DER USA EINEN KRIEG ZU FÜHREN wurde erstellt von juke_box
Quelle: LeMonde

DASS in der Auseinandersetzung um den Irakkrieg etwas Grundsätzliches auf dem Spiel steht, ist mit Händen zu greifen. In der internationalen Architektur knirscht es an allen Ecken und Enden, die UNO ist zerrissen, die Europäische Union entzweit, die Nato zerstritten. Am 15. Februar 2003 gingen weltweit 10 Millionen Menschen auf die Straße, um gegen den bevorstehenden Krieg zu protestieren. Sie wollen nicht, dass in der internationalen Politik abermals extreme Gewalt, Leidenschaft und Hass dominieren.
Die kollektiven Ängste äußern sich in beunruhigten Fragen: Warum Krieg gerade gegen den Irak? Warum gerade jetzt? Was sind die wahren Absichten der Vereinigten Staaten? Warum sind Frankreich und Deutschland so vehement dagegen? Was bedeutet dies alles für das künftige geopolitische Gleichgewicht?

Viele Menschen glauben, dass die wahren Motive dieses Kriegs im Dunkeln liegen. Überzeugende Argumente für die Notwendigkeit dieses Kriegs hat die US-Administration bisher nicht vorgebracht. Und die Hartnäckigkeit, mit der sie ihre dürftigen Argumente zu Tode reitet, macht die internationale Öffentlichkeit nur noch skeptischer.
Wie sieht die offizielle Argumentation aus? Der 22-seitige Bericht "Zehn Jahre Lüge und Herausforderung", den US-Präsident George W. Bush am 12. September 2002 dem UN-Sicherheitsrat vorlegte, nennt sieben Gründe. Die wichtigsten drei lauten: Erstens habe der Irak gegen 16 UN-Resolutionen verstoßen, zweitens besitze er nukleare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen samt ballistischer Trägersysteme oder versuche solche zu erwerben, drittens habe er die Menschenrechte verletzt (Folter, Vergewaltigungen, standrechtliche Erschießungen). Die vier weiteren Anklagepunkt betreffen die Unterstützung des Terrorismus (etwa Geldzahlungen an die Familien palästinensischer Selbstmordattentäter), die Kriegsgefangenen (darunter ein US-Pilot), die während der Besetzung Kuwaits beschlagnahmten Güter (Kunstwerke und Militärmaterial) und die Umgehung des Programms "Öl gegen Nahrung".
DIE sieben Vorwürfe veranlassten den UN-Sicherheitsrat am 8. November 2002 zur Verabschiedung der Resolution 1441, die ein verstärktes Inspektionsregime vorsieht, "mit dem Ziel, den Entwaffnungsprozess vollständig und nachprüfbar zu Ende zu führen". Sind diese Anklagepunkte so erschreckend, dass die ganze Welt den Irak als Problem Nummer eins sehen müsste? Machen sie das Bagdader Regime zur größten Bedrohung der Menschheit? Rechtfertigen sie gar einen groß angelegten Krieg?
Die USA und einige ihrer Verbündeten, darunter Großbritannien, Australien und Spanien, beantworten diese Fragen mit Ja. Ohne von irgendeiner internationalen Instanz dazu ermächtigt zu sein, hat Washington an den Grenzen zum Irak eine 260 000 Mann starke Truppe und ein militärisches Arsenal von gigantischer Zerstörungskraft in Stellung gebracht.
Andere westliche Länder, darunter Frankreich, Deutschland und Belgien, wie auch ein bedeutender Teil der internationalen Öffentlichkeit beantworteten die drei obigen Fragen mit Nein. Ohne die schweren Vorwürfe zu bestreiten, machen sie folgende Einwände geltend: Dieselben Anschuldigungen - Nichtachtung von UN-Resolutionen, Verletzung der Menschenrechte, Besitz von Massenvernichtungswaffen - ließen sich auch gegen andere Staaten vorbringen, allen voran Pakistan und Israel, die ja enge Verbündete der Vereinigten Staaten sind. Im Hinblick auf diese und andere befreundete Diktaturen (etwa Saudi-Arabien, Ägypten), Tunesien, Pakistan, Turkmenistan, Usbekistan, Äquatorialguinea) hüllt sich Washington in Schweigen.
Darüber hinaus ist die Ablehnungsfront der Ansicht, dass das irakische Regime allem Anschein nach keine unmittelbare Bedrohung für seine Nachbarn darstellt, da es unter ständiger Überwachung steht, seit zwölf Jahren einem verheerenden Wirtschaftsembargo unterliegt und seine Lufthoheit durch die Flugverbotszonen stark eingeschränkt ist.
Was die Suche nach illegalen Waffen anbelangt, so wenden die Kriegsgegner ein, dass die Inspektoren der Überwachungs-, Verifikations- und Inspektionskommission der Vereinten Nationen (Unmovic) und ihre Kollegen von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) immerhin Fortschritte gemacht haben, wie aus ihren dem UN-Sicherheitsrat vorgelegten Berichten hervorgeht. Das angestrebte Ziel - die Entwaffnung des Irak - ließe sich daher auch ohne Krieg erreichen. Als der französische Staatspräsident Jacques Chirac diesen einleuchtenden Gedanken vorbrachte, avancierte er in den Augen der Kriegsgegner in aller Welt zum Bollwerk gegen die amerikanische Übermacht. Der Anzug ist zweifellos zu groß, doch es lässt sich kaum bestreiten, dass der französische Präsident innerhalb weniger Wochen eine internationale Popularität wie nur wenige französische Staatsführer vor ihm gewonnen hat. Wie der "falsche General" in Roberto Rossellinis Film ist Chirac eher zufällig in die Rolle des Widerstandskämpfers geraten, aber er spielt sie zugegebenermaßen gut.
Dagegen ist es der US-Administration nicht gelungen, den Krieg überzeugend zu legitimieren. Im UN-Sicherheitsrat musste sie sogar eine schwere Niederlage einstecken: Am 14. Februar konnte Unmovic-Chef Hans Blix aufzeigen, dass mehrere der "Beweise", die Colin Powell zehn Tage zuvor vor demselben Gremium gegen Bagdad vorgebracht hatte, "unbegründet" seien. Für die Rechtfertigung des Kriegs sind diese Beweise aber ganz entscheidend, auch und gerade in den Augen der US-amerikanischen Öffentlichkeit. Weil kein nachprüfbares Argument diesen Krieg zu rechtfertigen scheint, muss man sich nach den wahren Beweggründen der Bush-Regierung fragen. Dabei lassen sich mindestens drei Motive finden.
Da ist erstens das seit dem 11. September 2001 zur Zwangsvorstellung gewordene Interesse, jede Zusammenarbeit zwischen dem "internationalen Terrorismus" und einem "Schurkenstaat" zu verhindern. Bereits 1997 hatte Clintons Verteidigungsminister William Cohen verkündet: "Wir haben uns mit der Möglichkeit auseinander zu setzen, dass regionale Akteure, Armeen dritten Typs, terroristische Gruppen oder religiöse Sekten versuchen könnten, durch den Erwerb und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen unverhältnismäßig viel Macht zu gewinnen."In einer am 11. Januar 1999 verbreiteten Pressemitteilung ließ Bin Laden erkennen, dass diese Gefahr durchaus real sei: "Ich betrachte den Versuch, nukleare, chemische und biologische Waffen zu erwerben, nicht als Verbrechen."Und George W. Bush äußerte die Befürchtung, "dass die Terroristen einen gesetzlosen Staat finden, der ihnen Technologien beschafft, um zu töten". Als diesen "gesetzlosen Staat" sieht der US-Präsident den Irak. Am 20. September 2002 verkündete die US-Administration die so genannte Präventivkriegtheorie, die der ehemalige CIA-Chef James Woolsey so zusammenfasste: "Im Mittelpunkt der neuen Sicherheitsdoktrin, die durch den asymmetrischen Kampf gegen den Terror begründet ist, stehen die ,Abschreckung im Vorfeld' und der ,präventive Krieg'. Da die Terroristen stets den Vorteil haben, jederzeit an jedem Ort klandestin angreifen zu können, besteht die einzig mögliche Verteidigung darin, sie schon jetzt abzufangen, noch bevor sie zuschlagen können."Und dies selbstverständlich ohne Ermächtigung durch die UN.
Das zweite uneingestandene Motiv für den Irakkrieg betrifft die Kontrolle über den Persischen Golf und seine Erdölvorkommen. Mehr als zwei Drittel der bekannten Welterdölreserven lagern in den Golf-Anrainerstaaten Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien, Katar und Vereinigte Arabische Emirate. Für die Industrieländer, vor allem aber für den großen Energieverschwender USA ist diese Region von kapitaler Bedeutung und die Basis für ihr Wachstum und ihren Lebensstil. Daher nehmen die USA jede Intervention gegen einen Golfstaat als Angriff auf ihre "vitalen Interessen" wahr. Bereits 1980 umriss der damalige Präsident Jimmy Carter die US-Doktrin für diese Region: "Jeder Versuch einer ausländischen Macht, die Region des Persischen Golfs in ihre Gewalt zu bringen, wird als Angriff auf die vitalen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika betrachtet. Ein solcher Angriff wird mit allen nötigen Mitteln zurückgeschlagen werden, militärische Gewalt eingeschlossen."
Während die Golfregion nach der Zerschlagung des Osmanischen Reichs unter britische Kontrolle kam, wuchs seit 1945 der Einfluss der USA. Nur zwei Länder konnten sich der Vorherrschaft Washingtons entziehen: der Iran seit der Islamischen Revolution von 1979 und der Irak seit dem Einmarsch in Kuwait 1990. Im Gefolge des 11. September 2001 geriet auch Saudi-Arabien in den Kreis der Verdächtigen, weil Riad Verbindungen zum militanten Islamismus unterhält und saudische Bürger das Al-Qaida-Netz unterstützt haben sollen. Washington kann es sich nach eigenem Bekunden nicht erlauben, einen dritten Bauern auf dem Schachbrett der Golfregion zu verlieren, schon gar nicht einen so wichtigen wie Saudi-Arabien. Daher die Versuchung, unter falschen Vorwänden den Irak zu besetzen, um die Region wieder in den Griff zu bekommen.

mfg
JB


"Vergib deinen Feinden, aber vergiß niemals ihre Namen."
(Kennedy, John F.)

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