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Kriegsfunk mit 128 kBit/s aus dem Irak

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20 Jahre 11 Monate her #14974 von juke_box
Kriegsfunk mit 128 kBit/s aus dem Irak wurde erstellt von juke_box
Quelle:Heise.de

Die mit Videotelefonen ausgerüsteten und ständig live von den "Brennpunkten" sendenden Journalisten prägen das mediale Bild vom Irak-Krieg. Langjährige Krisenreporter wie Nik Gowing von der BBC sahen im Vordringen der satellitengestützten Technik während des Aufmarschs der alliierten Truppen am Golf bereits die eigentliche Neuheit im Medienkrieg. Sie gingen davon aus, dass die Videophones, die seit dem Afghanistan-Krieg weiter an Einsatzreife gewonnen haben, eine unabhängigere Berichterstattung journalistischer Einzelkämpfer erlauben würden. Bislang kommen die Hilfswerkzeuge der "Always-On"-Reporter allerdings vor allem bei den Journalistenteams zum Tragen, die in die Truppen der Koalition "integriert" sind und wenig Spielraum für unzensiertes Arbeiten haben.
Einer der deutschen Vorreiter dieser Fraktion ist Ulrich Klose, zusammen mit dem 3. Panzerbataillon der US-Infanteriedivision Ende der Woche etwa 80 Kilometer vor Bagdad angekommen. Auch im Internet lassen sich die Berichte des RTL-Reporters als Streams auf den Websites des Kölner Senders sowie des zur RTL World Group gehörenden Nachrichtenkanals n-tv abrufen. Auf diesem Wege erfahren die Surfer etwa, dass Klose jetzt neben der ABC-Schutzausrüstung immer Panzerweste und Helm tragen muss. Eine Schweiß treibende Angelegenheit, wie die Bilder aus der Wüste zeigen.
Die neue "Qualität" des "Embedded Journalism" ermöglicht die technische Grundausrüstung in Form einer gängigen DV-Cam, eines MPEG4-Coders in Schuhkarton-Größe sowie von zwei Inmarsat-Telefonen. Das Paket hat ein Marschgewicht von "knapp zehn Kilo", schätzt Klaus Asshauer, Leiter des futuristisch betitelten Ressorts "Teleport Operations" bei RTL. Klose wird auch von einem Kameramann begleitet. Übertragen werden die Bilder mit 128 kBit/s, wobei die Kapazitäten der Kanäle der beiden Satellitentelefone ähnlich wie bei einer doppelten ISDN-Leitung gebündelt werden.
Die niedrige Bandbreite zeichnet dafür verantwortlich, dass es auf den großen TV-Bildschirmen heftig ruckelt und der Ton den Mundbewegungen immer etwas hinterherhinkt. Deswegen lassen die Sender die Reporter-Ansichten auch gern rasch in einem kleinen Fenster verschwinden, während groß im Bild Agenturmaterial von explodierenden Bomben oder Raketenwerfern gezeigt wird. Bei der Verkleinerung handle es sich aber auch um ein "redaktionelles Stilmittel", sagt Asshauer. Immer nur den kriegerisch anmutenden Reporter zu zeigen, sei doch langweilig.
Die aus Bagdad für RTL und n-tv berichtende Korrespondentin Antonia Rados darf dagegen immer bildfüllend zu Wort kommen: Ihre Beiträge werden bislang noch mit einer professionellen Kamera aufgenommen und in Standard-TV-Formaten mit Hilfe der Satellitenlösungen der britischen Firma SNG übertragen, deren Qualität deutlich höher ist. RTL hat Rados zwar ebenfalls eine Videophon-Ausrüstung spendiert. Die kann aufgrund der politischen Restriktionen des irakischen Regimes laut Asshauer jedoch noch nicht zum Einsatz kommen.
Über Störungen des Inmarsat-Systems, das im Gegensatz zu Konkurrenten wie Iridium oder Global Star auf geostationäre, 36.000 Kilometer über der Erde schwebende Satelliten setzt, muss RTL-Operationsleiter Asshauer bislang nicht klagen. Das ursprünglich für die maritime Telefonie geschaffene System funktioniere reibungslos. Die Preise für die Übertragung seien mit 10 US-Dollar pro Minute erstaunlich günstig. Abhörsicher ist das Ganze aber nicht: "Der Zugriff erfolgt im Multiplex-Verfahren, ähnlich codiert wie bei GSM", erläutert Asshauer. Es würde ihn nicht wundern, wenn "die Kollegen im Pentagon das auch direkt zu sehen bekämen." Aber natürlich könnten sie auch direkt RTL schauen.
Andere Sender verzichten bislang noch größtenteils auf die wackeligen Live-Übertragungen mit der Video-Heimausstattung. So hat zwar etwa auch das ZDF mehrere Reporterteams mit Videotelefonen im Irak bestückt. Für die Berichterstattung herangezogen wird derzeit aber nur eines im Nordirak -- und auch das nicht für Live-Einspielungen. Das Material werde genauso wie die Videophone-Aufnahmen von den Partner-Sendern Al Jazeera und NBC erst gründlich geprüft, heißt es bei dem Mainzer Sender, bevor über die Ausstrahlung entschieden werde.

mfg
JB


"Vergib deinen Feinden, aber vergiß niemals ihre Namen."
(Kennedy, John F.)

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