enneaMeine gar so bürgerlichen Eltern müssen wir arg genervt haben - mein Bruder und ich. Wollten sie doch, dass wir braven Buben früh ein Instrument lernten und zu ihrem Plaisir hin und wieder etwas vortragen sollten. Doch natürlich kam alles anders. Machte noch mein Bruder als Trompeter eine ordentliche Karriere vom örtlichen Posaunenchor der Kirchengemeinde zum bezahlten Tröter eines Bläserquintetts bei Beerdigungen oder bei Geburtstagsständchen, verweigerte ich bald meiner Klavierlehrerin die Gefolgschaft und versuchte mich mit Banjo und Gitarre in der Jazzgruppe unserer Schule.

Bill Chase - Open Up Wide

So ging es in unserem elterlichen Anwesen immer hoch her. Im Obergeschoß jodelte die Trompete meines Bruders, mal alleine, mal mit Kollegen zusammen. Unten stand das Klavier, das wir beide meist nur für wilde Improvisationen und gehacktem Ragtime benutzten und in einem Nebenzimmer versuchte ich dem Banjo irgendwelche Jazzriffs zu entlocken. Und dabei hätten es unsere Eltern doch so gerne gesehen, wenn ihre Buben hin und wieder mal ein paar Volkslieder oder in der besinnlichen Weihnachtszeit ein Weihnachtslied angestimmt hätten. Doch das kam nicht in die Tröte.


Über Umwege erreichte mich jetzt eine Doppel-CD, die es im Handel nur noch sehr beschränkt gibt. Wir müssen die Schallplatten damals ununterbrochen gespielt haben, denn beim ersten Mal anhören kannte ich noch jede Note, konnte jeden Song nachgröhlen. Obwohl ich mich zunächst weder an den Namen der Gruppe, noch an das Album erinnern konnte. Ein Flashback fast dreißig Jahre zurück.

Bill Chase war ein echter Power-Trompeter. Er gehörte zu den Spitzen-Hochtonbläser und erreichte mit seinem Instrument Höhen, die ein normaler Trompeter nicht mal ansatzweise erreichen kann. Nicht umsonst spielte er in der Band von Maynard Ferguson als Leadtrompeter - auch so einem Hochton-Trompetenartisten. Anfang der siebziger Jahre gründete Bill Chase seine eigene Band und machte Fusion Jazz-Rock-Musik in der Art von Blood, Sweat & Tears. Auch seine Kompositionen hatten einen rockigen Beat, ebenfalls gab es einen ambitionierten Rocksänger in der Band.

Doch Bill Chase, der Trometenvirtuose, komponierte dazu Bläsersätze mit vier Trompeten. So etwas gab es bis dahin noch nie. Und die spielen derart virtuos, in schwindelnden Höhen, dass es einem angst und bang werden konnte - ob solche Höhenflüge ohne Absturz überhaut gut gehen können. Und im nachhinein ist mir völlig unklar, wie unser damaliger Saphirplattenspieler solche Hochtonzirpereien überhaupt aus der Platte kratzen konnte.

Übrigens Bill Chase ist mit Kollegen bereits 1974 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Doch zwei Alben von Bill Chase scheinen irgendwann mal Eingang auf eine CD gefunden zu haben. Bei einigen Amazon-Händlern scheint das Doppelalbum noch im Programm zu sein. Und bei youtube sind einige Liveauftritte mit mäßiger Qualität aufgetaucht, die ich Euch nachstehend zu Gemüte führen möchte.

Bill Chase - Close Up Tight

Bill Chase - Get It On

Bill Chase- Invitations to a River Reflections

Bill Chase - Run Back To Mama

Bill Chase - Weird Song